Einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt es schon seit einigen Jahren, sodass in der Regel Berufstätigkeit und Betreuung in den meisten Fällen Hand in Hand gehen kann. Doch mit der Einschulung fällt die ein oder andere Familie plötzlich in ein Betreuungsloch. Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im nachschulischen Bereich der Grundschule? Bislang Fehlanzeige. Im offenen Ganztag (OGS) wird dieser für die Erstklässler ab dem Schuljahr 2026/2027 kommen, jährlich aufbauend. Für die Betreuung im verlässlichen Halbtag (VHT oder 8-1 Betreuung) nicht zu erwarten.

Wie ist die Situation an den Klever Grundschulen?
Positiv ist, dass jede Grundschule eine nachschulische Betreuung etabliert hat und im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten anbietet. Doch wenn man genauer auf den am 09.09.2024 im Schulausschuss präsentierten Sachstandsbericht schaut, ist nicht alles Gold was glänzt. Zwar hat sich die Verwaltung als Ziel eine Betreuungsquote im Offenen Ganztag (OGS) mit Blick auf den Rechtsanspruch ab Schuljahr 2026/2027 von 75 % gesetzt, doch da sind wir noch weit von entfernt. Es fehlen Plätze und Räumlichkeiten. Die Verwaltungsspitze ist optimistisch dem durch die Erweiterung an der Willibrordschule (frühste Betriebsaufnahme Anfang 2025), Ausbau der Marienschule und der Karl-Leisner-Grundschule entgegenzuwirken. Doch auskömmlich, insbesondere mit Blick auf den kommenden Rechtsanspruch, sieht anders aus. Einzig an der GGS An der Linde ist der OGS-Platz bei Einschulung sichergestellt.
Und genau diesem Fakt musste sich die Verwaltung mal wieder beim Sachstandsbericht OGS stellen.
Verschlechterung der Betreuungsquote?
So wurde unter anderem kritisiert, dass die Betreuungsquote OGS im additiven Ganztag rückläufig ist, da die Schülerzahlen und Nachfrage an den Grundschulen steigt, der Betreuungsausbau dagegen stagniert bzw. zu langsam voran geht. Vom gesteckten Ziel von 75 % sei man weit entfernt.
Zurzeit stehen insgesamt ca. 150 Kinder auf Wartelisten für einen OGS-Platz oder für die 8-1-Betreuung. Dabei haben die Willibrordschule in Kellen und die St. Michael Grundschule in Reichswalde die längste Liste, mit über 40 wartenden Kindern. Teilweise wurden die Zahlen im Schulausschuss, insbesondere bei der 8-1-Betreuung, von den anwesenden angezweifelt.

Situation 8-1 Betreuung
Im Schulausschuss geriet die 8-1-Betreuung in den Fokus. Zuletzt erhielten Familien bei der 8-1-Betreuung für ihr Kind eine Absage, wenn dieses in die 3. oder 4. Klasse wechselte, nachdem man zuvor zwei oder drei Jahre lang diese Betreuungsform in Anspruch nehmen konnte. Der Grund? – Platzmangel. An manchen Schulen scheinen genau diese Kinder nicht mehr auf der Warteliste für einen Platz zu stehen.
Die Krux bei der 8-1-Betreuung ist, dass die Verträge immer nur für ein Schuljahr geschlossen werden und dementsprechend jährlich verlängert werden müssen. Bei der OGS-Betreuung dagegen ist der Vertrag für die gesamte Grundschulzeit durchlaufend. Da der Bedarf in der 8-1-Betreuung nun jedoch deutlich größer als das vorhandene Platzangebot ist, bekamen viele Eltern von 3. und 4. Klässler plötzlich eine Absage, zugunsten der jüngeren Kinder in der 1. und 2. Klasse. Und bei diesem Vorgehen gibt es nicht mal eine Berücksichtigung von Geschwisterkindern, wie Ausschussmitglieder im Schulausschuss berichteten. So kann es vorkommen, dass eine Familie für das jüngere Kind in der ersten Klasse einen Betreuungsplatz bekommt, jedoch für das ältere Kind in der 4. Klasse keinen. Für Familien aber auch für die Kinder unverständlich. Die Stadtverwaltung begründen dieses Vorgehen mit der Annahme, dass ein Schulkind der 3. oder 4. Klasse nicht unbedingt mehr eine nachschulische Betreuung bis zur 6. Schulstunde benötigt und den Schulweg auch allein nach Hause finden würde, was man von einem 1. oder 2. Klässler nicht erwarten könne. In der 3. oder 4. Klasse hätten die Kinder zudem oft bereits 5 oder 6 Stunden, sodass der Bedarf geringer sei. Man habe sich für dieses Vorgehen zu Gunsten der jüngeren Kinder entschieden. Hier geht aber Theorie und Praxis jedoch bereits auseinander, zudem nicht jedes Kind in der dritten oder vierten Klasse schon so selbstständig ist und auch nicht immer im direkten Umfeld der besuchten Schule wohnt.
Betreuungssicherheit für Berufstätige und geregelte Aufnahmekriterien?
Betreuungskontinuität und -sicherheit für das Schulkind und vor allem für die berufstätigen Eltern Fehlanzeige. Ungleiche Reglungen bei Geschwisterkindern – schwierig im familiären Alltag. Und neben der nachschulischen Betreuung fehlt mit dem Ausbleiben des Betreuungsplatzes auch die Möglichkeit der Ferienbetreuung. Folge, wenn die minimale Betreuung des Kinds nicht mehr gesichert ist? – Im schlimmsten Fall muss die Berufstätigkeit zurückgefahren werden, wie die Ausschussmitglieder deutlich machten. Es seien bereits entsprechende Fälle bekannt zu sein.
Wer nun auch noch denkt, dass bei der Platzvergabe der raren Plätze wenigstens geregelte Aufnahmekriterien überall einheitlich vorhanden sind, der scheint sich auch zu irren. So wurde im Schulausschuss deutlich kritisiert, dass zuletzt die Berufstätigkeit der Erziehungsberechtigten bei der Platzvergabe nicht an allen Schulen abgefragt oder berücksichtigt wurde. Die Verwaltung erklärte zwar, dass es ein einheitliche Abfrageformular für die Berufstätigkeit gibt – dieses scheint aber nicht jeder Betreuungsanbieter zu nutzen. Man sicherte zu mindestens zu, im nächsten Schulausschuss über die Aufnahmekriterien zu berichten.
Einmal mehr wurde deutlich, dass es bei der nachschulischen Betreuung noch viele Baustellen gibt. Wer einen OGS-Platz bekommt ist bis zum Ende der Grundschulzeit abgesichert, doch gerade in der 8-1-Betreuung fehlt den Familien Betreuungssicherheit.
Überblick Betreuungssituation je Schule:
(folgt)
(Daten Sachstandbericht OGS der Stadtverwaltung Schulausschuss 09.09.2024)